Vortrag über NS-Zeit mit regionalem Bezug

Das Amtsgericht Wolfenbüttel während der NS-Zeit – zwischen Alltäglichem und politischer Verfolgung

Über die Strafpraxis des Amtsgerichts Wolfenbüttel während der NS-Zeit hielt der ehemalige Geschichtslehrer Arnulf Heinemann, der auch viele Jahre Mitarbeiter der Gedenkstätte der JVA war, am Freitag, den 15. Dezember 2023 für den 10., 12. und 13. Jahrgang der Großen Schule einen lebendigen Vortrag. 

Am Wolfenbütteler Amtsgericht wurden in den Jahren 1933-45 mehr als 6000 Straftaten behandelt, z.B. Eigentumsdelikte, Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung, aber auch politische Delikte. Während des Zweiten Weltkrieges waren nicht nur Menschen aus der Region Wolfenbüttel angeklagt, sondern auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Europa.

Arnulf Heinemann vermittelte an Beispielen aus der Region exemplarisch die Strafpraxis von Amtsrichtern während der NS-Zeit. „Amtsgerichte waren im Unterschied zu den Sondergerichten und dem Volksgerichtshof vergleichsweise unpolitisch“, erläutert der pensionierte Geschichtslehrer, der heute noch in der Weiterbildung tätig ist. Politisch-ideologisch begründete Urteile, etwa nach der „Volksschädlingsverordnung“, habe es nicht gegeben, so Heinemann. Dennoch seien Amtsrichter am NS-Unrecht beteiligt gewesen, denn ungefähr 10 Prozent der Fälle seien politisch gewesen und somit seien die Amtsgerichte eine Stütze der NS-Diktatur gewesen. Interessanterweise habe es aber auch Freisprüche oder mildere Urteile als vom Staatsanwalt gefordert gegeben, auch bei Zwangsarbeitern, so Heinemann, der seit vielen Jahren an diesem Thema forscht. 

Einer dieser Amtsrichter am Wolfenbütteler Amtsgericht war Hermann Künne, der an der Großen Schule im Jahre 1927 das Abitur ablegte und während der NS-Zeit am Amtsgericht Wolfenbüttel tätig war. 1932 trat er in die NSDAP ein und begründete dies mit den Worten: „Da es mein Wunsch war, in den Staatsdienst übernommen zu werden, trat ich der Partei bei.“  Nach Kriegsende wurde er im Zuge der Entnazifizierung als „Mitläufer“ eingestuft und durfte ab 1953 wieder als Richter arbeiten. 

Im Anschluss an den Vortrag konnten alle Anwesenden noch Fragen stellen, die ausführlich beantwortet wurden. Die Schulgemeinschaft der Großen Schule bedankt sich sehr bei Arnulf Heinemann, der den Schülerinnen und Schülern einen Teil der vielschichtigen NS-Zeit mit regionalem Bezug nähergebracht hat.

Frauke Neumann